Alles oder Nichts: Requiem mit Caithe
Endlich ist das abschließende Kapitel da. Auf der offiziellen Websites von ArenaNet könnt nun auch die Gedanken im Requiem mit Caithe nachlesen.
Caithe fungierte in der Episode „Alles oder Nichts“ als Sprachrohr für Aurene, die nur mit dem Kommandeur durch ihr gemeinsames Band kommunizieren konnte. Da Aurene jedoch auch die Kraft von Modremoth in sich aufnahm, war sie auch in der Lage sich der Sylvari zu bemächtigen. Caithe ließ Aurene auf Bitten gewähren und verlor so nicht ihre Freiheit, fand scheinbar ihre Bestimmung. Nach dem Tod von Aurene gibt sie nun eine Innenschau preis. Dabei denkt die auch viel über die Geschehnisse nach, die bereits vor dem Kampf gegen Modremoth stattfanden.
Alles oder Nichts: Requiem mit Caithe
Auch die beiden ersten Kapitel haben wir euch bereits in einem Artikel präsentiert. Im Folgenden findet ihr die Links, bevor es den gesamte Requiem von Caithe gibt.
Es ist seltsam. Alles, woran ich hier – am Ende – denken kann, ist der Anfang.
Du warst mal so klein. Ein winziges Vöglein, das wie ein Juwel strahlte und anfing, seine Flügel auszubreiten. Jedes Mal, wenn du dich in die Lüfte erhobst, raubte es mir den Atem. Ich hätte mehr Zeit in jenen Momenten verbringen sollen, Kleine. Jetzt werde ich dich nie wieder fliegen sehen.
Und Kralkatorrik – der dich mir genommen hat – ist uns wieder entwischt. Das Ende ist gekommen. Welche Hoffnung hat Tyria ohne dich? Ich muss nun das Ende aller Dinge mitansehen. Neben deiner Hülle stehen, während ich darauf warte, dass die Realität selbst zerfällt.
Es macht mir keine Angst. Wie könnte es auch? Meine Welt endete, als dein Herz seinen letzten Schlag tat.
Der Blasse Baum, der Traum, Ventaris Tafel – sie haben uns gelehrt, dass Sylvari als Erwachsene geboren werden. Doch vor dir war ich ein Kind. Ich hielt mich für das wichtigste Wesen in der Welt.
Ich habe so viele Fehler gemacht.
Ich frage mich, ob du mich damals trotzdem gemocht hättest. Als ich zusah, wie Cadeyrn den Blassen Baum anflehte, einen anderen Weg einzuschlagen. Wir fingen gerade erst an zu erkennen, wie die Welt fernab der Sicherheit unseres friedlichen Hains wirklich aussah, und es erschütterte uns.
Tyria war so groß und so voll von Widersprüchen. Ventaris Tafel erklärte nicht, warum andere Zivilisationen – andere Völker – Mütter und Väter haben. Warum sie den Schriften von Göttern folgen, die sie nicht sehen können. Warum manche überhaupt keinen Schriften folgen.
Sie erklärte nicht, warum die Asura Malomedies fanden, seinen brillanten Geist auseinandernahmen und ihn im Namen der Wissenschaft durch ihre Folter für immer veränderten.
Die Erstgeborenen klammerten sich an Ventaris Tafel und setzten die friedlichen Lehren wie einen Schild ein. Die Zweitgeborenen jedoch waren frustriert, ruhelos. Und Cadeyrn, ein Kind des Tageslichts, wollte Taten sehen.
Er wollte Rache.
Cadeyrn trat vor den Blassen Baum und bat darum, Ventaris Tafel den Rücken zu kehren. Die Welt habe uns ihr hässliches Gesicht gezeigt, sagte er, und die Tafel hindere uns daran, uns selbst zu verteidigen. Er wollte, dass wir unsere Stärke zeigen. Unsere Dornen.
Ich erinnere mich, dass ich ihn für einen Narren hielt. Für einen hohlköpfigen Zweitgeborenen, der nie die Bedeutung eines friedlichen Lebens begreifen könnte. Ich hoffte, der Avatar des Blassen Baums würde erscheinen und ihn für seine lächerlichen Ideen schelten.
Stattdessen erhielt er nur Schweigen.
Es war einer dieser Momente, in der die Weichen des Schicksals gestellt wurden. In denen bloße Worte den Verlauf der Dinge, die kommen sollten, hätten ändern können. Wenn ich doch nur einen kleinen Blick in die Zukunft hätte werfen können, wie du, dann hätte ich mich anders verhalten. Ich hätte gewusst, dass die Person, die ich damals war, nicht die ist, die ich nun sein möchte.
Cadeyrn war verletzt. Natürlich war er das – er hatte seine Meinung gesagt und der Blasse Baum hatte ihn ignoriert.
„Ich bin der Erste meiner Generation“, beharrte er. „Ich verdiene es, angehört zu werden!“
Ich hätte behutsam mit ihm umgehen können. Ich hätte ihm sagen können, dass er wichtig ist und dass der Blasse Baum alle Kinder anhört und versteht. Ich hätte streng sein und ihn einen Verräter nennen können. Ihn warnen, dass seine Heißblütigkeit uns alle in Gefahr bringen würde. Beides wären Dinge gewesen, die er hätte hören müssen.
Doch damals war ich zu gleichgültig. Und sehr oberflächlich.
„Was sollte sie das kümmern?“, sagte ich. „Der Blasse Baum hat jetzt tausende Kinder, Cadeyrn. „Man ist entweder Erstgeborener … oder einfach nur Sylvari.“
Das Schlimmste war: ich glaubte das, was ich sagte. Ich hielt mich und die anderen Erstgeborenen für überlegen. Frei von Generationskonflikten und politischen Gräueln. Makellos und rein. Der Dschungeldrache würde im Laufe der Zeit zeigen, dass wir falsch lagen.
Ich wünschte, ich könnte zurückreisen und die Selbstgefälligkeit meiner Stimme ausradieren. Ich wünschte, ich könnte die Spitze aus den Worten nehmen, die ich zu Cadeyrn sagte.
Doch ich habe diese Worte gesagt und sie haben ihn verändert. Meine Grausamkeit hat sein Herz verhärten lassen und den Samen der Verbitterung gepflanzt. Den des Hasses. Ich weiß, ich war nicht die einzige, doch ich habe dabei geholfen, ihn auf den Weg zu führen, den er bald nehmen würde. Den Weg zur Erschaffung des Albtraumhofs.
Den Weg zu Faolain.
Von dem Moment an, an dem wir zusammen in Erscheinung traten, waren Faolain und ich wie Zwillingsblätter, die aus demselben Ast sprießen. Sie hatte endlose Fragen und alles, was ich je wollte, war Antworten für sie zu finden. Zusammen wagten wir uns in das große Unbekannte, sahen schöne und schreckliche Dinge. Die Welt gehörte uns.
Ich dachte, ich wäre nur für sie erschaffen worden. Dass sie geboren wäre, um zu entdecken. Um alles, was sie berührte, zu verändern und zu formen. Und dass ich geboren wurde, um sie zu lieben.
Vielleicht habe ich Faolain wirklich geliebt, auf meine eigene Art. Doch damals war ich so selbstsüchtig. Ich glaube, ich habe nur die Art geliebt, wie mich alle angesehen haben, wenn ich mit ihr zusammen war.
Sie wusste es. Und sie nutzte es aus.
Als ich jung war, dachte ich, ich wüsste alles, was es zu wissen gab. Ich war eine erstgeborene Sylvari – die Tafel sagte uns, wir seien die reinsten Kreaturen der Welt. Und ich glaubte ihr, weil ich unbedingt einzigartig sein wollte. Ich wollte besonders sein.
Wir fingen gerade erst an zu erkennen, wie unbedeutend wir in der Welt waren. Diese Erkenntnis trieb Faolain an und machte sie hungriger. Bei mir hingegen führte sie dazu, dass ich mich nach innen kehrte und noch arroganter wurde. Ich maskierte meine Furcht davor, nicht wichtig zu sein. Meine Furcht davor, nichts zu werden.
Es war der winzig kleine Samen einer Schwäche, der Wunsch – nein, das Bedürfnis – außergewöhnlich zu sein. Doch Faolain fand ihn. Sie hatte ein Händchen dafür, Schwächen ausfindig zu machen. Und sie auszunutzen.
Am Anfang war sie lieb, sogar romantisch. Sie nahm mich mit zu Lichtungen im Mondschein, auf denen Glühwürmchen um unsere Füße tanzten. Sie flocht Sommerblumen in mein Haar, hielt mein Gesicht in ihren Händen und sagte mir, ich sei die schönste und wichtigste Person, die sie je kennenlernen würde. Dass ich etwas bewegen würde. Dass sie stolz auf mich sei.
Ich liebte die Art, wie sie mich ansah, als ob ich das einzige Wesen auf der Welt wäre. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich versteht, wie es sonst keiner konnte. In ihren Augen lag solch eine Bewunderung, dass es schwer fiel, wegzusehen. Ich brauchte sie als meinen Spiegel, da ich nicht sehen konnte, was sie sah. Ich brauchte ihre Liebe, um mich vollständig zu fühlen.
Das war genau das, was sie wollte.
Von Faolain abhängig zu sein, fühlte sich so natürlich an, genauso, wie sie zu lieben. Ich war so jung, so unerfahren. Ich hielt diese beiden Dinge für ein und dasselbe. Ich wusste, solange ich Faolain hatte, könnte ich alles tun. Ich war gefangen. Ich war ihre Beute.
Von da an änderten sich die Dinge.
Es ist einfach, jetzt zurückzublicken und zu sagen, dass ich Faolains wahres Wesen hätte erkennen sollen. Dass ich hätte erkennen sollen, was sie tat, wenn sie mich scheinbar aus heiterem Himmel mehrere Tage lang ignorierte. Wenn sie zurückkam, als sei nichts passiert, und mich für meine Verärgerung strafte.
Doch im trüben Wasser erkennt man die Dinge nur schwer. Sie machte es schwer.
Sie entzog mir die Aufmerksamkeit, mit der sie mich einst überschüttet hatte. Sie enthielt sie mir vor, wenn sie sah, dass ich sie am meisten begehrte. Und wenn ich dann wütend wurde, ließ sie den Kopf hängen und tat so, als hätte ich sie verletzt. Sie stellte es als meine Schuld hin. Nie trug sie die Schuld. Nicht einmal wir beide.
Faolain begann anzudeuten, ich würde allmählich langweilig werden. Sie sagte, ohne sie wäre ich nicht von anderen Sylvari zu unterscheiden. Manchmal fragte sie sich laut, ob sie irgendwann gelangweilt von mir sein würde. Sie wusste ganz genau, was sie sagen musste. Ich blieb also ganz tief unter Wasser. Ich glaubte ihr.
Ich tat, was immer nötig war, um wieder ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich tat ihr Gefallen, machte mich für sie perfekt, brach Streit mit ihr vom Zaun. In meinen Augen war selbst ihre Wut besser als ihre Gleichgültigkeit. Doch nichts davon funktionierte.
Ihre Aufmerksamkeit schickte sie mir nur, wenn sie mich hinterfragte.
Faolain nahm mich auseinander. Die Dinge, die sie angeblich an mir geliebt hat – meine Direktheit, dass ich lieber zuhöre als spreche, die Art und Weise, wie ich sie auf den Boden zurückholte, wenn sie Grenzen überschritt – kritisierte sie nun, verachtete sie sogar.
Sie sagte, ich würde sie zurückhalten. Dass sie ohne mich so viel mehr sein könnte, jedoch aus Mitleid bei mir blieb. Und immer, wenn ich entschied, dass es mir mit ihr schlechter ging als es mir jemals alleine gehen könnte, verwandelte sie sich wieder in die liebevolle, aufmerksame Partnerin, die ich vor langer Zeit gekannt hatte. Sie brachte mich wieder zu der Lichtung und flocht Blumen in mein Haar. Sie sagte mir, ich sei immer noch besonders, wenn ich doch nur aufhören könnte, mich selbst runterzuziehen.
Ich wünschte, ich könnte sagen, ich wäre ihr am Ende entkommen, Kleine. Doch sie entkam mir. Auf dem Albtraumhof fand sie eine Gemeinschaft aus Sylvari, die sich sehnlichst Veränderung wünschten. Die nach etwas strebten, an das sie glauben konnten. Faolain nutzte auch sie aus.
Meine Freiheit bestand darin, zurückzubleiben, als sie ging. Mithilfe des Blassen Baums und Ventaris Tafel erlangte ich eine Stärke, die ich niemals zu besitzen geglaubt hätte. Die beiden halfen mir, Faolain hinter mir zu lassen. Der Blasse Baum half mir, ein gutes, erfülltes Leben zu führen und niemals zuzulassen, dass ein Unrecht zu Bösem heranreift. Diese Lehren verschafften mir den Frieden, den ich brauchte. Sie gaben mir einen Zweck, wo keiner vorhanden war.
Doch all das war ebenfalls eine Lüge.
Als Wynne mir die Wahrheit über die Sylvari verriet – dass wir nur geschaffen wurden, um Mordremoth zu dienen – fühlte ich mich erneut ausgehöhlt. Die Worte des Blassen Baums heilten mich und führten mich aus der Dunkelheit, doch es waren leere Worte. Eine bequeme Lüge des Blassen Baums, um uns Bedeutung zu geben, wo es keine gab. Wir waren nicht rein – wir waren einfach nur Werkzeuge, die man auf ein Ziel richtet. Ich war dafür gedacht, benutzt zu werden. Erneut.
Ich war so wütend auf den Blassen Baum, auf meine Mutter. Doch jetzt … jetzt verstehe ich, warum der Blasse Baum die Wahrheit vor uns verbarg. Eine Mutter tut alles, was in ihrer Macht steht, um ihr Kind zu schützen, auch wenn es bedeutet zu lügen.
Ich wünschte, ich könnte dir das furchtbare Wissen nehmen, mit dem du leben musstest, Kleine. Ich wünschte, ich könnte dein Schicksal ungeschehen und es zu meinem eigenen Schicksal machen. Ich würde alles, was ich durchlebt habe, noch einmal durchmachen, nur um dich zu retten.
Das ist Liebe.
Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung? Du warst noch in deinem Ei und bist zu der wunderschönen Kreatur herangewachsen, die du bald sein würdest.
Mordremoth sprach zu mir, wie es der Traum tat – mit Gefühlen, nicht mit Gedanken. Mit Wünschen. Mit Impulsen. Ich spürte meine zweite Wylde Jagd im Hinterkopf: ich sollte Glints Ei beschützen. Dich beschützen.
Das Gefühl kam so leicht daher. Ich wollte, dass du sicher bist. Obwohl ich nicht einmal dein Antlitz gesehen hatte, wusste ich, dass du etwas ganz Besonderes bist. Dich zu beschützen war kein Befehl, es war ein Instinkt.
Doch dann schlugen meine Gedanken um. Bring das Ei ins Herz von Maguuma, gebot mir mein Impuls. Ich wusste nicht, was ich dort finden würde, doch alle Fasern meines Herzen trieben mich voran.
Sylvari werden nicht dazu angehalten, ihre Wylden Jagden zu hinterfragen. Wir wurden geschaffen, um sie zu erfüllen. Doch ich erinnerte mich an Wynnes Worte, als sie mir die Wahrheit verriet.
Vertraut niemandem. Nicht einmal dem Kommandeur.
Ich versuchte, den Gedanken zu verstehen, der in meinem Kopf aufblühte. Es fühlte sich so an, als wäre es mein eigener Gedanke. Doch ich wusste, dass Mordremoths Flüstern von meiner Wylden Jagd nicht zu unterscheiden war. Sollte ich meine eigenen Wünsche einfach ignorieren? War ich nicht mehr Herrin meines Instinkts? Oder wurde ich aufs Neue benutzt?
Ich war so allein, wie ich es noch nie gewesen war. Der Blasse Baum, der Kommandeur, Wynne … Ich vertraute niemandem. Nicht einmal mir selbst. Da waren nur du und ich und dieser schreckliche, endlose Dschungel.
Also konzentrierte ich mich auf dich. Jeder Teil von mir war darauf ausgerichtet, dich zu beschützen. Ich erkannte deine Bedeutung für die Welt, auch wenn ich mir der Zukunft nicht sicher war. Doch es war mehr als das. Du warst alles, was ich hatte. Ich konnte dich nicht auch noch verlieren. Dich zu verlieren, hätte bedeutet, mich selbst zu verlieren.
Ich denke, das war der Zeitpunkt, an dem ich verstand. Ich würde niemals von Bedeutung sein und das war in Ordnung. Kein Sylvari – weder Cadeyrn, Faolain noch Wynne, nicht einmal der Blasse Baum – waren von großer Bedeutung. Wir waren keine reinen, perfekten Kreaturen, und wir waren nicht die wichtigsten Wesen der Welt.
Du warst das.
Und ich würde dich beschützen. Mit allem, was ich hatte.
Der Blasse Baum beschützte mich – beschützte alle Sylvari – auf die einzige Art, die sie kannte. Sie verbarg die schrecklichen Wahrheiten der Welt vor uns und versuchte, uns ein Gefühl von Sicherheit und Rückhalt zu geben.
Sie ließ mich glauben, ich sei auserwählt. Besonders. Doch darum ging es nie. Es ging darum, dieses Gefühl untereinander weiterzugeben. Und so gab ich dieses Gefühl an dich weiter, mein juwelengleich strahlender Vogel.
Dich zu beschützen bedeutete nicht, die Hässlichkeit der Welt vor dir zu verbergen. Ich wollte, dass du eine Stärke findest, die ich niemals besessen habe. Damit du deinem Schicksal tapfer und mit Zuversicht entgegentreten kannst. Ich wollte … ich musste dafür sorgen, dass du bereit bist.
Also blieb ich bei dir und brachte dir alles bei, was ich gelernt hatte. All meine Fehler, meinen Schmerz – er würde dir helfen, zu wachsen. Das war das Wichtigste, das ich jemals getan habe und jemals tun werde. Du würdest die Welt retten, die Sylvari, den Traum – sie alle.
Doch für mich warst du nie einfach nur das. Du warst nicht einfach nur der Drache, der Kralkatorrik besiegen würde. Du warst mein und ich war dein. Du zeigtest mir, wie man aus vollem Herzen liebt, ohne sich zurückzuhalten. Ganz gleich, wie behütet ich in der Gegenwart der anderen war, du sahst das, was kein anderer sah: die Wärme in meinem Innersten.
Ich hatte endlich einen Zweck.
Ich fühle jetzt mit dem Blassen Baum. Sie war eine Mutter, die gezwungen war, ihre Kinder in die kalte, gnadenlose Welt zu schicken, obwohl sie um die Gefahr wusste – selbst um den Tod – der sie heimsuchen würde.
Doch diese Mutter muss ihre Kinder fliegen lassen, ja sogar zulassen, dass sie fallen – damit sie lernen können. Du bist bereits gefallen, nur um wieder aufzustehen – stärker und sicherer als zuvor. Und ich war stets da, um dir zu helfen. Ich dachte, du wärst bereit. Ich dachte, wir würden zusammen gewinnen.
Und jetzt habe ich dich verloren. Du warst ein Teil von mir und ich ein Teil von dir. Wie schlägt ein Herz, wenn eine Hälfte fehlt?
Ich wünsche, ich hätte mehr getan, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich geliebt habe. Wie viel du mir bedeutet hast – wie viel du uns allen bedeutet hast.
Ich habe seit Tagen nichts mehr vom Kommandeur gehört. Ich frage mich, ob das Herz unseres Anführers ebenfalls zu Staub zerfallen ist. Wir haben keinen Plan mehr. Keine Ideen. Alles was bleibt, ist die Trauer um unsere verlorene Hoffnung – unser verlorenes Kind – und um die schreckliche, schöne Welt, die es zu beschützen versuchte.
Ich hoffe, ich sehe dich bald, Kleine. Wenn das Ende kommt.
Dafür müssen wir bei dir sein, wir alle. Du hast so viele Leute zusammengebracht, so viele Seelen berührt. Dem, was kommt, sollten wir uns gemeinsam stellen, ein letztes Mal.
Ich schaffe das nicht allein – ich brauche jemanden, der mir hilft, dem Ende aller Dinge entgegenzutreten, und dem Scheitern all unserer Pläne und Träume. Jemanden, der dich so liebt, wie ich es tue.
Es ist an der Zeit, den Kommandeur zu rufen.