Gastbeitrag: Im Inneren Traum
Unser Community-Mitglied Ursula „Uschi“ Mueller hat mit einer kleinen Kurzgeschichte rund um die Sylvari begonnen, welche sie uns zugeschickt hat. Wir vom Team waren uns einig, dass sie veröffentlicht werden sollte und wir dürfen dies netterweise auch tun. Ich bin gespannt, wie ihr die Geschichte findet.
Im Inneren Traum
Blätter wirbeln über ihr im Gegenlicht. Grün, gelb, golden. Sie liegt auf dem Rücken und schaut in dem Himmel. Die Hände berühren das Moos unter ihr. Behagliche Wärme umhüllt sie. Vereinzelt tauchen Gedanken in ihrem Kopf auf, flattern umher wie die Blätter über ihr und zerstreuen sich wieder im freien Raum. Hier ist ihr Zuhause, in den Höhen des blassen Baumes, ihrer Mutter. Eigentlich möchte sie niemals hier weg. Aber der blasse Baum hat sie und ihre Gefährten zusammengerufen. Heute ist ein besonderer Tag! Noch eine Nacht und sie sind bereit, in die Welt hinauszutreten. Die Welt! Die große, aufregende Welt! Viel hat sie darüber gehört, vom blassen Baum. Geschichten von tiefen Wäldern, schneebedeckten Bergen, prächtigen Städten und endlosen Ozeanen. Von Wesen, die die große Welt bevölkern und die so völlig anders sind als sie selbst und ihre Freunde.
„Du musst jetzt schlafen“. Die Stimme des blassen Baums klingt vertraut, fast heiter. „Nur im Schlaf wirst Du in die andere Welt hinübergleiten.“ „Ich werde bei Dir sein. Du bist nicht allein.“ „Heute Nacht werden Du und Deine Gefährten eintauchen in den Inneren Traum.“
Der blasse Baum beginnt leise zu summen. Die Blätter über ihr werden langsam in rhythmische Schwingungen versetzt. Töne bilden sich, vermengen sich mit dem Licht über ihr und formen eine wundervolle Melodie. Ein Lied, das ihren Körper durchdringt und zur Ruhe bringt.
„Wir sind jetzt im Inneren Traum. Hier sind wir eins.“ Der blasse Baum wird ein bisschen ernst. „Du und Deine Gefährten werden dennoch nicht dasselbe erleben. Es kommt darauf an, was Dich durchflutet an gesammelten Wissen, Erinnerungen und Gedanken des Traums.“
Sie fühlt einen Druck unter ihrem Körper, als wenn sie von vielen Händen in die Luft gehoben wird. Ein Schwarm von hunderten von kleinen Lichtkugeln beginnt um sie herumzuwirbeln. „Was Du jetzt empfindest und erfährst“, erklärt der blasse Baum, „wird Dich in der neuen Welt begleiten, solange Du lebst.“
Nebel umgibt sie dichter, heller Nebel. Aus dem Nebel steigen Bilder auf. Landschaften, Berge, ein Fluss. Ein Lagerplatz, in dem auch ihre Gefährten sind. Andere freundliche und schöne Wesen kommen dazu. Es wird gefeiert, getanzt, gesungen, gelacht. Sie unterhalten sich in einer unbekannten Sprache. Die Bilder füllen sie mit Energie und Wärme. Aber sie sieht auch hässliche Wesen, die Zerstörung bringen. Andere Gefühle tauchen auf, merkwürdige Gefühle. Sie ist allein. Schatten dringen in ihren Körper ein, winden sich um ihr Herz und machen sie stumm. Aber in ihrem Kopf schwingt das Lied des blassen Baums. Die Melodie ist stärker als der Tod.
„Das ist Dein neues Leben. Ein gutes Leben.“ Die Stimme des blassen Baums klingt sanftmütig und zuversichtlich. „Ich werde stolz auf Dich sein.“ „Ich gebe Dir einen Namen. Dubh, das Schwarze des Auges. Über das Schwarze des Auges sagt man: ’Es sammelt das Licht und verstärkt es’.“ „Aber jetzt ist es Zeit, dass wir Abschied nehmen, Dubh. Wach auf und geh in die Welt.“
Dubh spürt zum ersten Mal die frische, kühle Morgenluft im Gesicht. Ein Gefühl von Freiheit. ‚Was werde ich als erstes tun in der Welt?’ ‚Werde ich feuchtes Gras unter meinen Füßen spüren?’ ‚Werde ich die Sonne über dem Horizont aufgehen sehen?’ Sie öffnet die Augen.
Text: Ursula Mueller – Bild: Angèle Guillemin