Das Schiffswrack: Wie Ellen Magnus getroffen hat
Regelmäßig veröffentlicht ArenaNet in ihrem Blog Kurzgeschichten passend zur Lebendigen Geschichte. In einer neuen Kurzgeschichte wird erklärt, wie Magnus und Ellen Kiel sich das erste Mal getroffen haben.
Das Schiff war im Begriff zu sinken. Das Mädchen Ellen Kiel kauerte in der Koje ihrer Eltern und wartete darauf, dass sie sie holen kamen.
Das Wasser stieg immer höher, schäumend und pechschwarz. Auf seiner sich kräuselnden Oberfläche breitete sich ein schmutzig-öliger Glanz aus. Es fühlte sich kalt an, als es ihre Zehen erreichte … eiskalt.
Ellen zwängte sich in ihre Ecke, so weit sie konnte.
Die Schranktüren sprangen auf, und all ihre Habseligkeiten – Kleidung, Waschzeug, Bücher – quollen aus ihnen hervor. Alles stürzte ins Wasser und versank langsam, bis nichts mehr auszumachen war.
„Mama?“, rief Ellen. „Mama, wo bist du?“
Ein fürchterliches Stöhnen drang von weit unten hinauf, und das Schiff knarrte.
„Mama!“
Das Wasser kannte keine Gnade. Vom Boden bis zur Decke stieg es langsam und unerbittlich, bis es die ganze Kabine füllte und ihre Wände bersten ließ.
Am ganzen Leibe zitternd quälte sich Ellen durch das Wasser. Ihre Tränen wurden eins mit dem salzigen Meer und verloren sich ganz wie sie selbst in seinen unendlichen Weiten.
Als das Wasser über ihr zusammenschlug, versprach Ellen den Göttern, sie würde ganz artig sein, für immer und ewig, wenn sie nur dafür sorgen würden, dass ihre Eltern sie endlich holen kämen. „Bitte!“, flehte sie tonlos. „Ich werde artig sein!“
Plötzlich schlang sich etwas Großes, Starkes um ihre Fesseln und zog sie in die Tiefe.
Fast hätte sie aufgeschrieben, wer weiß ob aus Angst oder Hoffnung, wäre sie nicht so schnell durch das Wasser gezogen worden, dass es ihr in die Nase hochstieg. Sie begann zu husten und zu röcheln, bis das alles verschlingende Meer von ihr Besitz ergriff.
Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, war ihr Kopf an der Oberfläche, und sie tat einen tiefen Atemzug. Ihre Lungen und ihr Magen entledigten sich des Wassers mit schmerzhafter Entschlossenheit.
Ein breiter Reif um ihren Rumpf hielt sie über Wasser, und eine raue Stimme brummte in ihr Ohr: „So ist’s recht. Immer raus damit. Du wirst schon wieder.“
Ellen klammerte sich an den Norn, der sie in seinen Armen hielt. Ihre Finger hielten Strähnen seines Haars fest, und ihr Griff wollte sich auch dann nicht lösen, als er sie auf dem Deck seines Rettungsschiffs absetzte und sie in eine Decke hüllte.
„Ist schon gut, Kindchen“, sagte er. „Wie heißt du denn?“
„Ellen.“
„Ich bin Magnus. Sind deine Eltern auf dem Schiff da?“
Ellen nickte. „Mama und Papa.“
„Unsere Leute werden nach ihnen suchen. Alles wird gut. Du kannst mich jetzt loslassen.“ Mit seiner großen Hand versuchte Magnus sanft, ihre kleine zu öffnen.
„Nein!“ Ellen wehrte sich und festigte ihren Griff.
„Schon gut, schon gut …“ Magnus schlang seine Arme um sie. „Heute ist ein guter Tag, um Angst zu haben. Schließlich bleibt dir zum Tapfersein noch morgen und der ganze Rest deines Lebens.“